Die gefundenen Worte
Verlorene Worte
Von Zorn erfasst werden
Vor Wut bebend, was sich in der Sprachäußerung widerspiegelt
Zusammengesetzt aus: Gram: Trauer, Kummer und Schmerz als schleichender, andauernder Gemütszustand hochgradiger Betrübtheit, seit dem 17. Jhdt. als vorherrschende Bedeutung des Wortes gramdurchfurcht zielt auf die sichtbare Auswirkung des Grams, seine Spuren in Gesicht, Erscheinung und Haltung des Menschen. Gern mit Anspielung darauf, daß der Gram als ein schleichender, zehrender Zustand das Leben verkürzt und die Lebenskraft schwächt (Fr. Th. Vischer ästhetik (1846) 3, 648) „Gestern wallfahrten die Frauen und Mädchen, die in ihrer Art nicht weniger unter dem Krieg leiden, die vielfach ihr Leben lang unter seiner Last zu tragen haben. So waren denn sorgenvoll, tiefernst alle Züge, gramdurchfurcht viele Gesichter, dunkel waren durchweg fast Kleid und Hut.“ (Bonner General-Anzeiger, 30.8.1915)
Beurteilung von etwas, das ratsam, richtig, erstrebenswert scheint
„Nett, rein, glänzend, hell“; auch glan, „dünne, lucker“ (mhd. „luckern“ (14. Jh.), nhd. „lockern, vermindern, locken“), „schwammicht“ (auch „schwämmicht“, Stieler 1953; „schwammigt vom leder, das zu lange in der gare gelegen hat und zu weich geworden ist“ (nach Jacobsson); auch glan, gelan, „gelassen“ (nach J. J. Spreng); lt. Nikolaus Sparschuh („Berichtigungen zu Grimms Geschichte“) glain, „rein, heilig, durchscheinend, hell, glänzend“; daher glain nod als „ein ausgezeichneter Edelstein“, „Kleinod“; glan rein, glanau, „reinigen“; auch glesin, „gläsern“ und glas, „Bernstein“ (Seebold, 8. Jh.).
Weiter sind folgende Formen und Bedeutungen bekannt: das keltische Wort glain, „Kristall, Glas, Klarheit“, ebenso glaine; proto-keltisch glani als Quelle von glân, „sauber“, vgl. altirisch glain, irisch gloine, „Glas“.
Bei den Kelten gibt es ein Ei mit dem Namen Glain, welches den „Ursprung des Kosmos“ verkörpert. Nach der walisischen Herkunft bedeutet der Name Glain „Juwel“ und ist ein Mädchenname. In Bayern finden wir den rechten Nebenfluß der Nahe, die Glan. Das Glanrind ist eine seltene traditionelle Hausrinder-Rasse, welche in Rheinland-Pfalz beheimatet ist.
„Tacit […] sagt: Die Aestyi nennen den Bernstein glesum,
welches Wort wohl zusammenhängen
könnte mit glain, gloine, im Gälischen das Glas.“
(aus: „Ansichten über die keltischen Alterthümer, die Kelten überhaupt und besonders in Teutschland, so wie
den keltischen Ursprung der Stadt Halle“; von Chr. Keferstein, Band 2, C.A. Schwetschke und Sohn, 1848)
Den Mund vollnehmen, verwandt mit dem althochdeutschen gwon, mittelhochdeutsch giuden (prahlen) hängt im Sinne von den Mund aufreißen mit dem dt. gähnen zusammen; abgeleitete Bildungen geudel, geuder, geudig, geudung. Ursprünglich stand die Rede als Ausdrucksmittel der Prahlsucht im Vordergrund des Bedeutungsgehaltes, und von hier aus erklärt sich auch die Verwandtschaft mit greuen, gienen, gähnen. „schallen und geuden sint mir swære: man seit des phlegen tavernære; ja phlegents leider ouch diu kint die in guoten hoven sint. si schallent unde geudent mêre dan schœnin hovezuht si lêre. .. swenn si von hove komen sint ze herberge, daz unedel kint schallet 'wîn und met her! seht, ich gib daz, sô vil geb der, und mîn geselle ouch alsô vil', und übergêt geudent daz zil daz sîn geselle leistend ist, und müet in alsô zaller vrist.“ (Thomasin von Zirclaria, Der wälsche Gast, ca. 1200)
Ahd. gi-nâda mhd. genâde, gnâde: „Gunst, guter Wille, Freude“, auch ursprünglich „Ruhe, Frieden“, „Bequemlichkeit“, „Hilfe, Demut, Dankbarkeit“ oder „Nutzen, Schutz, Sorgfalt“; gerade im Sinne des Mhd. „das Sichniederlassen, um auszuruhen, ruhige Lage, Glück(seligkeit)“ (vgl. spätmhd. diu sunne gēt ze genāden: „die Sonne geht zu Gnaden“, „geht unter, begibt sich zur Ruhe“) als abstammend von nahe(n), neigen (Neigung), so auch als Neigung, jemanden „Wohltaten zu erweisen“, „Geneigtheit, Gewogenheit, Freundschaft ohne Unterschied des Standes“; „Gottes Hilfe, Huld, (göttliches) Erbarmen“, bezeichnet auch das „Wohlwollen“ im Umgang miteinander oder die jedem möglicherweise widerfahrende „Gunst“; „verzeihende Güte, Nachsicht, Schonung“, auf die jemand angewiesen ist; siehe auch das Gnadenreich Gottes, Hauptwort: „das gesegnete Gottesreich“ oder das Gnadenbrot, Hauptwort: „aus Barmherzigkeit, Dankbarkeit für geleistete Dienste im Alter gewährter Unterhalt“; auch im Sinne von „huldvolles Zugeneigtsein“; ferner vgl. Redewendungen wie mhd. gnāde gēt vür daʒ reht: „Gnade geht vor Recht“, sich auf Gnade und Ungnade ergeben: „sich bedingungslos ausliefern“ (15. Jh.); die Gnade haben („geruhen“) etw. zu tun (18. Jh.); zu Gnaden halten: „gnädig sein“ (18. Jh.); Gnade ergehen lassen: „Nachsicht üben“ (19. Jh.). „Der mensch dort nie zu gnaden kam, der arm leuten hie war gram.“ (Friedrich Petri (1549-1617), „Der Teutschen Weissheit“, 1604/05) „Wil des himmels pracht gar nicht gemindert sehn, er spricht: der sonnen wird ihr schein so nicht benommen das auge musz vor ihr, nicht sie zu gnaden gehn. allein dis machet nicht der augen pracht geringer“ (Friedrich Petri (1549-1617), „Der Teutschen Weissheit“, 1604/05) „Liebe, die gnädige, hegende, thätige, gnade, die liebende, schonung verübende, schweben uns vor.“ (Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832))
Auf Verleumdung gesetzte Geldstrafe.
VERDREHTES WORT
Ahd.: „etwas, das man jemandem gibt“, „Gabe, Unterstützung, Geschenk, Eingebung, Barmherzigkeit“.
Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Gift gilt in der deutschen Sprache als veraltet: Als Tätigkeitswort gift stammte es von „haben“ ab und wurde auch für Begriffe wie „begütert, reich, wohlhabend“ genutzt. Worte wie Gifter, „der Gebende“, und begiften für „begeben, beschenken“ sind ebenso veraltet. In dem heute noch gebräuchlichen Wort die Mitgift ist es uns erhalten geblieben: Es kann für alles eingesetzt werden, was „(jemandem etwas) mitgeben“, „jemandem etwas oder eine Eigenschaft mit auf den Lebensweg geben“ in seiner Bedeutung enthält.
Interessant an diesem Wort ist die Tatsache, dass es heute noch im englischen Sprachraum in diesem Sinne vorhanden ist und dort die ursprüngliche ahd. Bedeutung von „Geschenk, Gabe“ hat.
Gift, das, Hauptwort, ahd. medizinisch-wissenschaftlicher Begriff für „natürlicher oder künstlicher Stoff, der bei der Einnahme eine schädliche bis tödliche Wirkung hat“. Dies ist die heutige noch einzige gebräuchliche Bedeutung für das Wort Gift, welche damals auch zeitgleich mit der ursprünglichen Bezeichnung für „Gabe“ genutzt wurde.
„Des Kaisers Wort ist grosz und sichert jede Gift,
doch zur Bekräftigung bedarfs der edlen Schrift.“
(Johann Wolfgang Goethe (1749–1832), aus: „Faust II“, 1832)
„Du nimmst zuletzt doch auch
für deine Schriften,
so wie es ist der Brauch,
reichliche Giften.“
(Johann Wolfgang Goethe (1749–1832), Gedicht)
„Dieses sind die Gift und Gaben,
Die uns über allen Neid,
Wann wir lange sind vergraben,
Heben sollen jederzeit;
Diese Schätz’ und Güter machen,
Daß wir Hohn und Haß verlachen.“
(Martin Opitz (1597–1639), aus: „An Herrn Esaias Sperern“, Ausgewählte Dichtungen, S. 38–41, Leipzig 1869)
„Was beginnen? Werd ich etwa,
meinen Lebenstag verwünschend,
rasch nach Gift und Messer greifen?
Das sei ferne! Vielmehr muß man
stille sich im Herzen fassen.“
(Eduard Mörike (1804–1875), aus: „Trost“, Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, S. 750, München 1967)
Abendröte, Abenddämmerung
Heuchlerisch, falsch; seine wahren Absichten verbergend; auch zur Charakterisierung „bigotten Verhaltens“; von mittelhochdeutsch glisnere (glīsenære, „Heuchler“), und mhd. gelîchesen („heucheln“); von gleichsnen bzw. gleissen („glänzen, strahlen, leuchten, hell scheinen; oft im übertragenen Sinne von Gegenständen oder Personen gesagt, deren Erscheinung / Wirkung mit einer Lichterscheinung verglichen wird: „glänzend erscheinen, äußeren, falschen Glanz ausstrahlen, blenden“); „heucheln, gleisnerisch handeln“, d.h. auch „mit betrügerischer Absicht, schmeichelnd, schöntuerisch, falsch reden“; siehe auch „der Gleisner“, Hauptwort: „der Heuchler“, eine Person, die eine Meinung oder Einstellung nur vortäuscht, aber nicht wirklich vertritt oder die zur Erreichung von Anerkennung oder von Vorteilen falsche Tatsachen, besondere Fähigkeiten und Qualitäten (u.a. Gelehrsamkeit, vor allem: Frömmigkeit) vortäuscht oder suggeriert; Schmeichler, Blender, Gaukler; und auch: „die Gleisnerei“, Hauptwort: Heuchelei, „falsche, heuchlerische Tat“; „Falsch. [...]. Do sich einer anders stellt, den ers meinet, ein Gleisner heist Falsch. (Martin Luther: 1539) „Glyßnerisch / durch falschen scheyn.” (Maaler: 1561) „Es ist heilsam und hat kein gleisnerischen zusatz odder falsche meinung.“ (Martin Luther: 1531) „Sie kommen gleisnerisch die Laffen! Bekriegen uns mit unsern eignen Waffen.“ (Johann Wolfgang von Goethe, Faust II, 1832)
Ahd. giwant, mhd. gewant, das Gewendete, das gefaltete Tuch, belegt seit dem Jahr 1000: Kleider, aber auch prächtige Kleidung zu besonderem Anlass „ich will gewiß in meinem Leben kein weißes Gewand anziehen; grün grün sind alle meine Kleider… So haben auch die Nymphen emaillirte Gewande an.“ (Bettina von Arnim, aus „Johann Wolfgang von Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“) „Koennte er nochmal auf dieser Welt erscheinen, er wuerde gewiß nur dieses Gewand waehlen, das geweiht und geheiligt ist durch den Glauben…“ („Das Gewand des Erlösers. Enthüllung des Geheimnisses“, Sandring, 1845) Gewandhaus: Innungshaus der Leipziger Tuchmacher
Mdh. gesitet, ahd. gesit: „geartet“; Zustand des „Gesittetseins“, „gesittetes Wesen, zivilisiertes Verhalten“, „Kultiviertheit“ oder „Anstand, Bildung, Geist, Höflichkeit“; auch „Moral, (sittliche) Haltung, sittliches Empfinden und Verhalten“, „Sittlichkeit“; somit Bezeichnung auch für die „Zivilisation“ einer Gesellschaft, d.h. für das durch die Erziehung und Bildung geprägte Verhalten: „die Gesittung eines Volkes“; siehe auch „Menschen der gleichen Gesittung“. „Die Gesittung schätzen die Frauen an einem Manne höher als die beste Bildung.“ (Wolf Ernst Hugo Emil Graf von Baudissin (1867–1926), Schriftsteller und Journalist, „Speemanns goldenes Buch der Sitte“, Spemann Verlag, Berlin 1901) „Niemals wird die Vernunft es vermögen, die Barbarei zu verwandeln in Gesittung.“ (Lion Feuchtwanger (1884–1958), Schriftsteller, „Goya oder der arge Weg der Erkenntnis“, 1951) „Zu der Gesittung der Zeit gehört auch die barocke Überhöhung der fürstlichen Personen.“ (Erich Auerbach (1892–1957), Literatur- und Kulturwissenschaftler, „Mimesis“, 1946)
Ahd. gimuati, mhd. gemüete, mnd. gemôde; Gesamtheit der Empfindungen und Gedanken eines Menschen; sein Charakter und Wesen; der Mensch als Ganzheit; verwendbar für „Seele, Psyche, Herz; Gefühl, Empfindung, Stimmung; Mut“; geistige und seelische Verfassung des Menschen: nhd. z.B. ein ängstiges gemüth: „ängstliche stimmung, Gemütsverfassung“; etw. get jm. zu gemüt: „etw. geht jm. zu Herzen“; auch: Geist, Ansicht, Meinung, Gesinnung; Absicht, Streben, Neigung: jm. etw. zu gemüte füren – „jm. etw. erzählen, mitteilen“; des gemüts sein: „die Absicht haben“; gutes gemüthe für „wohlwollen, gute Gesinnung gegen jemand“; Gegensatz: „der Leib“, für „Leib und Seele“ auch „Leib und Gemüt“; „das gemüt ist ursprünglich, wie der mut, unser inneres überhaupt im unterschied vom körper oder leib, daher leib und gemüt u. ä., wie leib und seele.“ „wie begrüszt' ich so oft mit staunen die fluthen des Rheinstroms, immer erschien er mir grosz und erhob mir sinn und gemüthe.“ (Johann Wolfgang von Goethe) „das aufrichtige / erliche / fromme / grosse / keusche / ledige / redliche / starke / treue gemüt.“ „das gemüt erfrischen / hochhalten; das freie / frische / frohe / gleiche / gute / lustige / neue / starke gemüt.“
Von ahd. gimah: „passend, geeignet, bequem“ (8. Jh.), mittelhochdeutsch (mhd.) gemach: „bequem, ruhig, langsam“, im Sinne von „was sich gut fügt, was zusammenpaßt“ – und gemächlich, Eigenschaftswort, „langsam, ruhig, behaglich“ oder „behutsam, vorsichtig, gemütlich“, althochdeutsch gimahlīh: „bequem“ (11. Jh.), frühneuhochdeutsch (frühnhd., 14.-17. Jhd.) auch gleichbedeutend mit „allmählich”; siehe auch Gemächlichkeit, die, Hauptwort (16. Jh.), für „Bummelei, Gelassenheit, Gemütlichkeit, Trödelei“, oder das Gemach für „Wohnraum, Zimmer“, ahd. gimah, als Hauptwort: „Vorteil, Bequemlichkeit, Annehmlichkeit“ (9. Jh.), mhd. gemach, übertragen: „Ort, wo man Ruhe und Bequemlichkeit findet, Zimmer, Wohnung“, „wo man sich pflegt“, Substantivierung des Eigenschaftsworts (siehe oben); die alte Bedeutung „was sich gut fügt“ ist noch in der Verneinung Ungemach, das, Hauptwort, für „Unruhe, Unbehagen, Verdruß, Kummer, Leid“, mhd. ungemach, bewahrt; vgl. ahd. ungimah, Eigenschaftswort: „unpassend“ (8. Jh.); „Ein niedriges, hohes, geräumiges, helles oder freundliches Gemach.“ (Schlafgemach, Wohngemach, Frauengemach, das „heimliche Gemach“ für „Abort“) „Gemach, gemach!“ (im Sinne von „Langsam! Nichts überstürzen!“) „Das Pferd geht einen gemachen Schritt.“ „Sô trage ich ungemache sorge under mîner brust.” (Flore, 1852) „Ich weisz, wer auf zwei stühlen sitzt, der sitzt nicht sehr gemach.“ (Weisze, op. 3, 232 – „Ärntekranz“ II, 10)