Die gefundenen Worte
Verlorene Worte
Stammt vom lateinischen „corpus“, laut den Gebrüdern Grimm (DWDS 1854) übernommen aus dem Latein der Ärzte und der Geistlichen; „der dualismus, das abendmahl und die leichnamsanbetung der christen trug zu dieser einimpfung des wortes bei (Diefenbach goth. wb. 2, 589).“ Wortverwendung lt. Grimm: „korps (wie kadaver), gleichsam in gelehrt-medicinischer weise, aber eben in todter gestalt.“ Interessant auch die rechtliche Definition in Köbler, Juristisches Wörterbuch (2001): „Körper ist allgemein ein räumlich begrenzter Gegenstand. Der K. des Menschen ist die Gesamtheit seiner Knochenteile und Weichteile, einschließlich aller festverbundenen künstlichen Körperteile als eine Einheit. Seine Verletzung kann Schadensersatzansprüche begründen und strafbar machen.“ Auch im Englischen bedeutet „corpse“ toter Körper oder Kadaver, Leichnam. der Leib, Hauptwort, ebenso aus Grimms Wörterbuch (1854): „das fremdwort körper ist aber mit dem einheimischen leib noch bis heute nicht völlig eins geworden, und dabei hat sich jenes mehr zu geist, dieses mehr zu seele gesellt; denn geist und körper, leib und seele (so gestellt des tonfalls wegen) ist die uns geläufige zusammenstellung…“ und: „leib, leben. diese bedeutung hat, seitdem sich das substantiv leben an die stelle von altem lîp festgesetzt (oben sp. 409), von ihrer schärfe eingebüszt. das nhd. bewahrt sie nur noch in festen verbindungen, formeln, sprichwörtern, namentlich in solchen, in denen der gewaltsame verlust des lebens hervorgehoben wird, wo doch wieder auch die vorstellung von der schädigung des körpers eingreift: den leib wagen, den leib nehmen, um den leib kommen, den leib kosten…“ Vergleiche: „der Leib Christi“ (als spürbare Anwesenheit der Essenz), „leibhaftig“; sowie Ausschnitte aus dem Duden (1934): „Leib (Körper, Leben), gut bei Leibe (wohlgenährt) sein, aber: beileibe nicht; einem zu Leibe gehen, Leib und Leben wagen.“ Wir dürfen uns bewußt machen: Juristisch betrachtet gilt also der Körper als eine Sache, als ein Funktionskonglomerat; medizinisch und geistlich gesehen ist der Körper sogar nur ein totes Ding. Der Leib hingegen steht für das Leben, er ist das lebendige Gefäß der Seele.
In die Irre schweifend
„Eifrig, schnell, flink, behende“, ahd. hurski: eine „Hürde“, überwinden, spätmhd. hurtec, verkürzt aus mhd. hurteclich: „im Hinblick auf einen Stoß, einen Anprall heftig losrennend, zum Gebrauch beim stoßenden Losrennen geeignet“, einer Ableitung von mhd. hurt (der), hurt(e) (die): „Stoß, Anprall, stoßendes Losrennen“; siehe auch Entlehnung von altfranzösisch (afrz.) hurt (m.), hurte (f.) „Stoß, Anprall“ (frz. heurt), rückgebildet aus afrz. hurter „stoßen, anprallen, aufschlagen, im Kampf zusammenstoßen“ (frz. heurter: „stoßen, verletzen“, engl. to hurt: „verletzen“); bis in das 17. Jh. als „tapfer“, „zu angriff oder abwehr gerüstet“ gebraucht worden; das Eigenschaftswort hurtig wird auf das Germanische *hūrt zurückgeführt, das mit Umstellung von Lauten an anord. hrūtr „Widder“ (verwandt mit Hirsch und letztlich mit Hirn) angeknüpft wird, so daß von einer Bedeutung „wie ein Widder mit den Hörnern stoßen“ auszugehen ist; „Würde Amors Talisman sie rühren, Nur ein Hauch von Zypern um sie wehn – O sie würden hurtig desertieren Und zur alten Fahne übergehn.“ (Der Venuswagen, Friedrich von Schiller) „Und hurtig hielt er sich die Augen beide zu Und sah durchs Sehrohr nach den Sternen. Der Narr! was sah er denn? Das alles, was du siehst, Wenn du, um durch die Schrift Gott deutlich sehn zu lernen, Dir die Vernunft vorher entziehst.“ (Der Knabe, Christian Fürchtegott Gellert) „Da half kein Gerede, da half kein Rat, Da machte man hurtig die Stricke parat; Wie die Sonne kam, da wundert’ sie sich, Am hellen Galgen fand sie mich.“ (Ich kam von meiner Herrin Haus, Heinrich Heine)
Von mhd. hōchvertec („hochgesinnt, übermütig“) und auch mhd. hōhe varn („vornehm leben“); von „vornehmer Lebensart“ zu „Hochmut und Dünkel“; stolzes, anmaßendes Wesen haben; hochmütig sein („ein kalter, hoffärtiger Mensch“, „ein hoffärtiges, dünkelhaftes Betragen“); übertrieben stolz; gehoben abwertend; auch im Sinne von stattlich gekleidet, „herausgeputzt sein“; siehe auch die Hoffart, Hauptwort: aus mittelhochdeutsch hōchvart: noch mit anklang an die mhd. bedeutung von hôchvart als „hochherziges Wesen, Tapferkeit“; übersteigerter Stolz, überheblicher Hochmut; äußerer Glanz, Pracht, Aufwand; „Manche sind auf das, was sie wissen, stolz, gegen das, was sie nicht wissen, hoffärtig.“ „Sie ist so hoffärtig wie ein Pfau.“ „Am Sonntag hoffärtig zu sein.“ („schick gekleidet“) „Es will niemand gern hoffärtig heissen, aber man trägt die Nase gern hoch.“
„Hier unten auf Erden, im Diesseits, in diesem Erdenleben“, ahd. hier nidana (9. Jh.), danach in der Zusammenrückung mhd. hieniden(e), mit hie, einer Nebenform von hier.Herleitung vom Umstandswort nieder, „zu Boden, herab, hinab, hinunter, herunter“, ahd. nidar: „unter“(10. Jh.), „unten, herab, herunter“ (um 800), mhd. nider: „hinunter, herunter“,auch
niedrig, ahd. nidari: „nieder, niedrig, gering, klein, tief“ (8. Jh.), mh d. nider(e);
die Niederung, Hauptwort, „niedrig gelegenes, flaches Land, Ebene“ (17. Jh., geläufig 19. Jh.), vormals „Erniedrigung, Demütigung“, ahd. nidarunga: „Verdammung“ (9. Jh.), mhd. niderunge: „Erniedrigung“;
niedrig, Eigenschaftswort, „unten befindlich, tief gelegen, nicht hoch, untergeordnet, gering an Wert und Würde“ (16. Jh.);
nieden, Umstandswort, „unten, in der Tiefe, auf dieser Erde“, ahd. nidana (9. Jh.), mhd. niden(e).
„Und so werdet ihr vernehmen:
Daß der Mensch, mit sich zufrieden,
Gern sein Ich gerettet sähe,
So da droben wie hienieden.“
(Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), aus: „Höheres und Höchstes“, Entstehung zwischen 1765 und 1832)
„Ich hab nicht viel hienieden,
Ich hab nicht Geld noch Gut;
Was vielen nicht beschieden,
Ist mein; – der frische Mut.“
(Joseph von Eichendorff (1788–1857), aus: „Das Flügelroß“, Entstehung zwischen 1804 und 1857)
„… Schilt die Mappe nicht, Peter! Sie hat eine heilige Mission zu erfüllen hienieden –
sie läßt ihren Träger an die Wichtigkeit seiner Arbeit glauben,
und das ist mitunter gar nicht so einfach…“
(Kurt Tucholsky (1890–1935), aus: „Der Mann mit der Mappe“, 1927)
Mhd. hulde, „von dem Bey- und Nebenworte hold“: „Geneigtheit, Wohlwollen, Gnade, Gunst“ und auch „Liebe, Treue, Ergebenheit“; die Neigung zu einem Menschen, die Bereitwilligkeit und Fertigkeit, sein Bestes zu befördern; nicht in Huld sein: „nicht in jemandes Gunst stehen“ oder einen in Hulden behalten: „jmd. gewogen bleiben, jmds. Gunst nicht verscherzen, sich ihn nicht abgeneigt machen“; auch: Huldigung, Hauptwort: „Ehrerbietung“, „die Neigung eines Höhern gegen einen Geringern“, siehe auch Gottes Huld; sich jmds. Huld erwerben: „Beliebtheit, Ansehen gewinnen“; davon hold oder huld als zusammengesetztes Eigenschaftswort wie auch huldausströmend oder huldausstrahlend; siehe auch die Unhuld, Hauptwort: „die Ungnade“.
„Merkst du nicht, daß er beim Vater in Hulden kommen muss, wenn dieser ja sagen soll?“
„Wenn ein hofhörig mann ein frowen nimmt, die nit syn genoss ist, der hat des Grundherrn huld verloren.“
„Sich der Huld und Gnade des Landesherren empfehlen.“
„Ein einzig lächeln voller huld würd‘ allen kummer lindern.“
Zusammengesetzt: Herz und durchglüht, „von Herzen mit strahlender Helle erfüllen“, „von Herzen erfüllt, ergriffen“, „von einer liebenden Herzensglut durchflammt, durchdrungen“;
das Herz, Hauptwort, „Sitz der Seele, des Gemüts, des Verstandes“, aber auch: „Antriebsorgan des Blutkreislaufs“, ahd. herza (8. Jh.), mhd. herz(e), auch herzen, Tätigkeitswort, „ans Herz drücken, liebkosen“ (15. Jh.), mhd. herzen: „mit einem Herzen versehen, ein (mutiges) Herz annehmen“, aber auch nhd. (älter) beherzen: „Mut fassen, zu Herzen nehmen, ein Herz nehmen“, mhd. beherzen:„standhaft, mutig sein, entschlossen“, mhd. beherzet und ebenfalls beherzigen, Tätigkeitswort, „sich zu Herzen nehmen, beachten, bedenken“ (15. Jh.); herzig, Eigenschaftswort, „das Herz rührend, lieb, nett“ (16. Jh.);
durchglühen, Tätigkeitswort, „durch und durch glühen“, „strahlend hell glühen“, „durchbrennen“, z.B. eine Glühlampe oder Heizspirale; ein von der Sonne durchglühter Himmel, oder Büsche, die durch die Sonne blendend durchschienen werden, aber auch „Begeisterung, Dank und Freude durchglühten ihn/sie…“.
Ahd. hēr, das altsächsische hēr steht für alt, ehrwürdig und geht auf das mittelhochdeutsche hēr oder hēre für vornehm, heilig, stolz zurück. Verwandt sind das mittelniederdeutsche hēr, das mittelniederländische gheheer oder heer, das altenglische hār
Zusammensetzung: mit hellem Geräusch um jemanden werbend, z.B. Balzgesang des Amselmännchens
Mhd. „heischen“, „eischen“, in althochdeutsch (ahd.) „eiscon“ = dt. „fordern“, „fragen“, „begehren, bitten, fordern, heißen“. Nebenform von eischen. „…Nun hellt sich der Morgen die Welt ist so weit, in Tälern und Wäldern die Wohnung bereit, in Dörfern erquickt man den Sänger. So schreitet und heischt er undenkliche Zeit. Der Bart wächst ihm länger und länger…“ (Johann Wolfgang von Goethe, Ballade, 1797) „Fordert nur getrost von mir Morgengabe und Geschenk, ich will’s geben, wie ihr heischt, gebt mir nur die Dirne zum Weibe.“ (Lutherbibel, 1. Mos, 34,12; 1912)
„Kauziger, älterer Junggeselle“; Junggeselle aus Überzeugung oder Sonderling (Übersetzung im derzeitigen Sprachgebrauch: „Single“); Zusammensetzung aus althochdeutsch Hag („kleines, umfriedetes Gut“) und -stalt (besitzend): immer der älteste Sohn bekam das Erbgut, die jüngeren Söhne wurden nur mit Nebengütern bedacht – doch diese Nebengüter waren oft so klein, daß sie ihre Familien damit nicht ernähren konnten; so musste der Besitzer eines solchen Gutes unverheiratet bleiben. Ein Hagestolz kann auch „ehescheu“ (ein sog. „Misogamist“) sein und der Ehe ganz und gar abgeneigt. Der Begriff setzt sich aus hag („ein mit Hecke umfriedeter Bereich“) und mittelhochdeutsch stalt („stolz“) zusammen (nicht zu übersetzen mit „hochmütig“, sondern mit „Gestalt“). „bald dünkt dichs gut, bald nicht, ein hagestolz zu bleiben.“ „dem alten freiherrn von Chrysant wagts Amor einen streich zu spielen. für einen hagestolz bekannt, fieng, um die sechzig, er sich wieder an zu fühlen.“ „und sich als hagestolz allein zum grab zu schleifen, das hat noch keinem wohl gethan.“ „ein hagestolz ist schwerlich zu bekehren.“
Leid, Kummer, Kränkung; anhaltender Gram
Früher auch Holunke, gebräuchlich seit dem 16. Jh., von böhm./tschech. holomek: „nackter Bettler, Wicht, Nichtswürdiger“, im Sinne von „verkommener Mensch“ herzuleiten, auch von böhm. holý: „nackt, kahl, bloß, arm“ (bezeugt „aus einem Grenzgebiete deutscher und slavischer Sprache“); „Übeltäter, Tunichtgut“, bezogen auf „sittliche Verwilderung“; „Taugenichts, Gauner, Betrüger“; „herumlärmender Gassenjunge“ (Pommern); ursprüngl.: „(bewaffneter) Amtsdiener, Henkersknecht“; daneben auch omd. (obsächs.) holunke: „Stadtdiener, Troßbube, Bote, Heideläufer“ (um 1500); alsdann niedriges Schimpfwort, um einen „nichtswürdigen, trägen, mit Lumpen behangenen Menschen“ zu bezeichnen; siehe auch andere Herleitung aus wendisch holunk: „ein im Walde wohnender Mensch, welcher bei der ehemaligen Verfassung in der Oberlausitz auf den Schlössern die Nachtwachen verrichten musste“ (S. Kreysigs); siehe auch die Halunkerei, Hauptwort: „Schlechtigkeit“ und halunkig, Eigenschaftswort: „schuftig“, „andere gemein und hinterhältig schädigend“. „Hui da, was wollt ihr nur? verdammt! zu mächtig sind mir die hallunken!“ (Ferdinand Freiligrath (1810–1876), aus: „Ein Glaubensbekenntniß: Zeitgedichte“, Victor von Zabern, Mainz, 1844) „Soviel nun die dienstleut als hollunkhen und wachter betrifft [habe die Kammer zuwege gebracht,] daz si bezalt worden sein und inen nicht vil ausstendig ist.“ (aus „Kunsthistorische Sammlungen: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien“, Hahn & Goldmann, Wien, 1883/1925) „Wie wir uns den Halunken kaufen, können wir noch nicht wissen.“ (Erich Kästner (1899–1974), Schriftsteller, „Emil und die Detektive“, Hamburg: Dressler 1991 [1928], S. 80)
Sich verhalten wie ein Hanswurst; Literaturwissenschaft Hanswurst-Spiel, Possenspiel mit Hanswurst in der Hauptrolle; Possenspiel des 18. Jahrhunderts, in dem Hanswurst die Hauptrolle spielt; Scherz, (Spaß)macherei; Synonyme: Bubenstreich, Bubenstück, (Dumme)jungenstreich, Eulenspiegelei, Lausbüberei, Schabernack, Schildbürgerstreich. „Ich bin mitunter recht angewidert von den Hanswurstiaden dieser Welt. […] Beinahe die ganze Welt, jedenfalls aber Europa ist für mich eine stehengebliebene kalte Schüssel auf einem Bahnhofsbüfett, die mich nicht mehr reizt.“ (Gerhart Hauptmann, Atlantis, 1912. Friedrich von Kammacher)
„Stoffetzen“ (15. Jh.), auch „Lumpensammler, zerschlissen gekleideter Mensch“, Schimpfwort für „Landstreicher, Gauner“; von hader ahd. hadara „Lumpen, Lappen“ (10. Jhd.), mhd. hader „zerrissenes Stück Zeug, Lumpen, Lappen“, mit Nachsilbe „l“ mhd. hadel „zerrissenes Stück Zeug“; auch Lump, „gesinnungsloser Mensch, Gauner, Landstreicher“, auch „Mensch in schlechter, zerschlissener Kleidung“ (17. Jh.), gelegentlich „Lumpe“ (18. Jh.), Redewendung „sich nicht lumpen lassen“: „sich großzügig, freigebig zeigen“; „sich nicht für einen Lump halten lassen“, „sich nicht einen Lump nennen lassen“, dazu auch lumpen, „schlaff herabhängen, verlottert leben“, auch Lumperei, „Betrügerei, üble Handlungsweise“ (16. Jhd.), „armselige Nichtigkeit“ (18. Jhd.). „Haderlump her und Haderlump hin Und ich hab cin’ schön’ Schaß, Die heißt – Haderlumpin.“ (Franz Stelzhamer (1802–1874), Gedichte in obderenns’scher Volksmundart, 1846) „Mit Haderlump und Flederwisch, Ihr Knecht und Mägde, immer frisch! Daß nirgendwo ein Stäubchen klebt, Auch nirgend eine Spinne webt.“ (Robert Ernst Prutz (1841) „Von der Pumpe, die nicht mehr hat piepen wollen“ in Als der Großvater die Großmutter nahm (1885)) „Freund, wer ein Lump ist, bleibt ein Lump, Zu Wagen, Pferd und Fuße; Drum glaub' an keinen Lumpen je, An keines Lumpen Buße.“ (Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Dichter, aus Nachlese, Zahme Xenien 8)