Die gefundenen Worte
Verlorene Worte
Ahd. sunna (8. Jh.), mhd. sunne, md. sonne: „der Erde Licht und Wärme spendender Himmelskörper“, auch „Tageslicht, östliche Himmelsgegend“, „Licht- und Kraftquelle für alles Leben“; häufiger Gebrauch in der sprichwörtlichen Redeweise, u.a.: „etwas kommt an die Sonne, zum Vorschein, wird offenbar, offenkundig“: „Kein Faden ist so rein gesponnen, der mit der Zeit nicht kommt an die Sonnen“; „jemandem in der Sonne stehen“: jemanden im übertragenen Sinne behindern, „in den Schatten stellen“; oder: „auch die Sonne hat ihre Flecken“, siehe folgendes Zitat: „Genug, wenn Fehler sich mit größerer Tugend decken; die Sonne zeugt das Licht und hat doch selber Flecken.“ (Albrecht Viktor Haller (1708–1777), schweiz. Mediziner, Arzt und Naturforscher) zahlreiche Wortbildungen mit Sonne, so z.B.: der Sonnenadel, Hauptwort: dichterisch für „edle Sonne“; das Sonnenblicklein, Hauptwort: „die Sonne lässt sich blicken“, für „Sonnenstrahl“; sonnenbegegnend, Eigenschaftswort: „der Sonne entgegen“, also nach Osten fließend; der Sonnenbecher, Hauptwort: „goldner becher, indem das gold als erstarrter sonnenstrahl gefaszt wird“; sonne(n)beglänzt, Eigenschaftswort, wie auch „mondbeglänzt“: von Sonne beschienen, „die sonnenbeglänzte Landschaft“, „der Rhein lag ebenso blau, sonnebeglänzt und lockend vor mir da, wie im vorigen jahre“ (Clemens Brentano); der Sonnengeist, Hauptwort: dichterisch, die belebende Wirkung der Sonne personifizieren:
„er öffnet ein fenster, schlürft und sauget den sonnengeist in sich hinein ... ihm ist als wehe im jungen morgen ein gott ihn an.“ (Christoph Martin Wieland (1733–1813), Dichter und Übersetzer zur Zeit der Aufklärung) „eben wie der veyelstein sich vernemen lesset, wenn nach einem meyreglein ein warmes sonneplicklein darauff sticht.“ (Johannes Mathesius (1504–1565), Pfarrer und Reformator) „von der Donau sonnebegegnendem strom, bis hin zu den baltischen wellen.“ (Brüder Christian zu Stolberg-Stolberg (1748–1821) und Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750–1819), Dichter und Übersetzer, „Gesammelte Werke“, Bände 1-2, 1827) „mählich aus der wolke taucht neu hervor der sonnenadel.“ (Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848), Schriftstellerin und Dichterin) „erhebt den blick, ihr zecher, und trinkt, dem lichte hold, aus goldnem sonnenbecher geschmolznes sonnengold.“ (Friedrich Johann Michael Rückert (1788–1866), Dichter, Sprachgelehrter und Übersetzer)
Nachdenken, grübeln, seine Gedanken planend auf etw. richten, gehen, reisen, wandern, streben, verlangen, wahrnehmen, merken, verstehen, seine Gedanken oder Begierden auf etw. Richten
Wort, das wir täglich benutzen. Wir wissen um seine ursprüngliche Bedeutung – und doch vermuten wir: Auch dieses Wort ist der deutschen Sprache in seiner tief spürbaren Klarheit verlorengegangen, weil seine Bedeutung verdreht und verwässert wurde. der Sinn, Hauptwort: „Fähigkeit, Reize zu empfinden, Denken, Gedanken, Gesinnung, Gemüt, Verstand, geistiger Inhalt“, ahd. (9. Jh.), mhd. sin, stellt sich zu dem unter sinnen (s.d.) behandelten Tätigkeitswort. Häufig in festen Wendungen wie bei Sinnen („bei Verstand“) sein, mhd. bī sinne sīn; von Sinnen („nicht bei Verstand“) sein, vgl. mhd. von sinnen komen; Sinn: „Lust, Neigung“ für etw. haben“ (18. Jh.), im Sinn haben: „beabsichtigen“ (Anfang 17. Jh.), seine fünf Sinne beisammen haben: „gesunden Menschenverstand besitzen“; sinnig, Eigenschaftswort: „durchdacht, überlegt“, ahd. sinnīg: „mit Sinnen, Vernunft begabt, verständig, erkennend, weise“; mhd. sinnec, sinnic: „verständig, besonnen, klug, sinnreich“; unsinnig, Eigenschaftswort: „ohne Sinn, töricht, unvernünftig, absurd“, ahd. unsinnīg (um 1000), mhd. unsinnec, -sinnic: „nicht bei Verstand, verrückt, sinnlos“. der Unsinn: „Albernheit“, „Torheit, Raserei, Wahnsinn, Bewußtlosigkeit“; sinnlich, Eigenschaftswort: „mit den Sinnen wahrnehmbar, körperlich, sexuellen Dingen leicht zugänglich“, von der Mehrzahl Sinne ausgehend; mhd. sin(ne)lich: „durch die Sinne geschehend“, im Unterschied zu mhd. geistec: „verständig, klug“; dazu die Sinnlichkeit, Hauptwort, mhd. sinnelīcheit; sinnlos, Eigenschaftswort: „ohne Sinn und Verstand, zwecklos, ohne Zusammenhang“, ahd. sinnilōs: „nicht mit Sinnen begabt, wahnsinnig“; mhd. sinnelōs: auch „ohnmächtig, bewußtlos“; übersinnlich, Eigenschaftswort: „mit den Sinnen nicht wahrnehmbar, übernatürlich“; das Sinnbild, Hauptwort: „Symbol“ , Übersetzung für „Emblem“, zunächst für eine mit den Augen wahrnehmbare Darstellung allegorischen Inhalts, seit dem 18. Jh. für „Symbol“; das Sinngedicht, Hauptwort: Übersetzung für „Epigramm“; sinnreich, Eigenschaftswort: „zweckentsprechend“, mhd. sinnerīche: „verständig, klug, erfahren, scharfsinnig“; sinnvoll, Eigenschaftswort: „gehaltvoll“, „zweckdienlich“. der Sinn, Hauptwort: „Ziel und Zweck, Wert, der einer Sache innewohnt“; „etwas hat seinen Sinn verloren“, „es hat keinen, wenig, nicht viel Sinn (ist sinnlos, zwecklos), damit zu beginnen“, „etwas macht keinen/wenig Sinn“; „nach dem Sinn des Lebens fragen“. „Ich weiß nicht was soll es bedeuten, Daß ich so traurig bin; Ein Märchen aus uralten Zeiten, Das kommt mir nicht aus dem Sinn.“ (Heinrich Heine (1797-1856), „Lied von der Loreley“, 1824) „Wer die tiefste aller Wunden Hat in Geist und Sinn empfunden Bittrer Trennung Schmerz; Wer geliebt was er verloren, Lassen muß was er erkoren, Das geliebte Herz, Der versteht in Lust die Tränen Und der Liebe ewig Sehnen Eins in Zwei zu sein, Eins im andern sich zu finden, Daß der Zweiheit Grenzen schwinden Und des Daseins Pein. Wer so ganz in Herz und Sinnen Konnt' ein Wesen liebgewinnen O! den tröstet's nicht Daß für Freuden, die verloren, Neue werden neu geboren: Jene sind's doch nicht. Das geliebte, süße Leben, Dieses Nehmen und dies Geben, Wort und Sinn und Blick, Dieses Suchen und dies Finden, Dieses Denken und Empfinden Gibt kein Gott zurück.“ (Karoline von Günderrode (1780-1806), Dichterin, „Die eine Klage“) Ich ging im Walde So für mich hin, Und nichts zu suchen, Das war mein Sinn. Im Schatten sah ich Ein Blümchen stehn, Wie die Sterne leuchtend, Wie Äuglein schön. Ich wollt´es brechen, Da sagt es fein: Soll ich zum Welken Gebrochen sein? Ich grub´s mit allen Den Würzlein aus, Zum Garten trug ich´s Am hübschen Haus. Und pflanzt´ es wieder Am stillen Ort, Nun zweigt es immer Und blüht so fort. (Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)) „Ich kann mit allen Sinnen mir selber nicht entrinnen.“ „Wie ich bin, so ist mein Sinn.“ (beide Zitate aus: Deutsches Sprichwörter-Lexicon von Karl Friedrich Wilhelm Wander, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21)
Freude am Sommer verspürend
„Langweilige, alberne Schwätzerei, seichtes Geschwätz“, oft mit dem Nebensinn des „frömmelnden Tons“; dauernd salbadern, Tätigkeitswort: salbungsvoll (frömmelnd), langatmig und feierlich reden; salbadrig schwätzen, Eigenschaftswort: „umständlich, albern daherreden“, „bigott, scheinheilig“;
siehe auch der Salbader, Hauptwort (2. Hälfte 17. Jhd.), ein „alltäglicher Schwätzer“, welcher anderen mit unerheblichen Erklärungen lästig wird; oder auch ein „Quacksalber“ im Sinne eines „unreinlichen Baders“ (Wortherleitung), der seine Kranken lediglich mit Salben kuriert; evtl. abgeleitet aus nd. sal: „schmutzig, unreinlich“, oder aber von „Seelbader“, ein Bader, der gegen Abfindung zum „Heile der Seele“ beitrug – dies waren die am wenigsten angesehenen und als „schwatzhaft“ verschrienen Zunftgenossen.
„Ich habe deiner Salbaderei schon mehr denn allzulange zugehöret.“
„Er hat eine Art zu salbadern, die jedem auf die Nerven geht.“
„Durch alles dieses ward ich verworrner als jemals,
und nachdem ich mich lange mit diesem Hin- und Herreden,
mit dieser theoretischen Salbaderei des vorigen Jahrhunderts gequält hatte,
schüttete ich das Kind mit dem Bade aus
und warf den ganzen Plunder desto entschiedener von mir,
je mehr ich zu bemerken glaubte, daß die Autoren selbst,
welche vortreffliche Sachen hervorbrachten, wenn sie darüber zu reden anfingen,
wenn sie den Grund ihres Handelns angaben,
wenn sie sich verteidigen, entschuldigen, beschönigen wollten,
doch auch nicht immer den rechten Fleck zu treffen wußten.“
(Johann Wolfgang von Goethe, „Dichtung und Wahrheit“, entstanden 1808-1831)
„So eine salbaderei in principien,
wie sie im allgemeinen jetzt gelten,
ist wohl noch nicht auf der welt gewesen.“
(Johann Wolfgang von Goethe an Friedrich Schiller im Briefwechsel beider, 1881)
Von mhd. sümesal („Versäumnis“) und sūmen („aufhalten, hinhalten, verzögern, jm. hindern, etwas versäumen“); ein „saumseliger Mensch“ ist nachlässig und träge, mit Tagträumen beschäftigt, wird auch als herumtrödelnd wahrgenommen; jemand ist bei der Ausführung von etwas recht langsam und lässt sich Zeit (siehe auch „die Saumsal“, Hauptwort: Nachlässigkeit, Säumigkeit und „die Saumseligkeit“, Hauptwort: Bummelei, Trödelei). "Mit einem Staubtuch fuhr er langsam, beinahe saumselig über das silhouettenhafte Inventar." (Düffel, John von: Houwelandt, Köln: DuMont Literatur und Kunst Verlag 2004, S. 92) "So eilfertig die Vorurteile verkündet wurden, so unglaublich saumselig arbeitete die Justiz." (Die Zeit, 03.11.1972, Nr. 44)
Aus mhd. schar, „überfleißig in jemandes Nähe arbeiten oder sich für alles mögliche erbieten“, scharwenzelnd in Bewegung sein, „beflissen flitzen oder umhersausen“, abwertend „sich übereifrig, unterwürfig um jmdn. bemühen“, „um jmdn. herumschwänzeln“, „mit übertriebener Geschäftigkeit seine Dienste anbieten, um sich dadurch einzuschmeicheln“, sich scharwenzelnd fortbewegen; älter: Scherwenzel: „Bube, Unter, Junge (im Kartenspiel); das Kartenspiel „Scherwenzel“ spielen (17. Jh.); übertragen: „sich durch Dienstbeflissenheit angenehm zu machen suchen“, „dienstbeflissener Mensch“, „liebedienern“, „übereifrig den Hof machen“, „Allerweltsdiener“ (18. Jh.); auch schwänzeln, „geziert einherstolzieren“, „jmdn. umschmeicheln“; Deutscher Ausdruck unter dem Einfluß von Wenzel, „Unter“, „Bube“, „Junge“ (vier höchste Trümpfe bei Skat); nach dem Männernamen Wenzel, dem böhmischen Nationalheiligen, ahd. Wenzil, mhd. Wenzel. „Alle Worte scharwenzeln um die Wahrheit herum; sie ist keusch.“ (Wilhelm Busch (1832–1908), Dichter und Zeichner, Spruchweisheiten und Gedichte, Leonberg: Garant, 2007) „Wenn auch Flamen und Wallonen, Die da Belgien bewohnen, Faßt zum Kriegestanz die Wut, Bei den Großen zu scherwenzeln, Gleich den Ändern mitzutänzeln: Uns ist alles recht und gut.“ (Prof. Dr. Lothar Krupp, Kriegsreigen 1914, Gedicht) „Absprechend über alles; naseweis; Ein kleiner litterarischer Scherwenzel; Ein Springinsfeld, der, was er irgend weiß, Bequemlich trägt in seinem Burschen-Ränzel;“ (August Wilhelm von Schlegel (1767–1845), Literaturhistoriker und -kritiker, Sämtliche Werke, Band 2, Leipzig 1846)
„Ehrlich, zuverlässig, integer, aufrichtig, rechtschaffen“, auch ugs. „sehr, tüchtig, ordentlich“ oder „sehr groß“, auch „erlaubt, durch kein Gesetz verboten, rechtmäßig“; von ahd. redilīh: „rednerisch, wohlgeordnet, gut gesprochen, vernünftig, vernunftgemäß“ (um 1000), mhd. red(e)lich: „redend, beredt, vernünftig, verständig, brauchbar, tapfer, wichtig, rechtschaffen, geziemend“, frühnhd. „pflichtbewußt“ (16. Jh.); sinngemäß „wie man es verantworten kann, wie es sich gehört“, zu ahd. reda, redī: „Rechenschaft, Sprache, Gespräch, Vernunft, Verstand, Erzählung“; als die Redlichkeit, Hauptwort, mhd. redelīcheit: „Vernunft, Gesetz-, Rechtmäßigkeit, Beredsamkeit“, man bezeichnet Tugend und Charakter einer Person, entsprechend den Regeln einer Gemeinschaft gerecht, aufrichtig oder loyal zu sein: „An der Redlichkeit ihres Urteils besteht kein Zweifel“. „Nicht so redlich wäre redlicher.“ (Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781), Dichter, Zitat) „Wem zu glauben ist, redliche Freunde, das kann ich euch sagen: Glaubt dem Leben, es lehrt besser als Redner und Buch.“ (Friedrich von Schiller (1759–1805), Dichter, „Glaubwürdigkeit“, aus „Xenien und Votivtafeln“, 1796) „Meinst du es redlich mit solchem Schmerz? – Geh! Heuchlerisch ist dein Bemühn. Der Schauspieler gewinnt das Herz, Aber er gibt nicht seines hin.“ (Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Dichter und Naturforscher, „Meinst du es redlich mit solchem Schmerz?“, 1765–1832)
Die eigene Schönheit darstellen, prahlen; auffällig seine Pracht entfalten, Eindruck machen
Mhd. œheim(e), althochdeutsch ōheim, westgermanisch awa-haima „Mutterbruder“, Onkel, eine veraltete Bezeichnung für den Bruder der eigenen Mutter „Einsam, wie ich versprach, wartet ich oben auf dich.“ – Beste, schon war ich hinein; da sah ich zum Glücke den Oheim Neben den Stöcken, bemüht, hin sich und her sich zu drehn. Schleichend eilt ich hinaus! – „Oh, welch ein Irrtum ergriff dich! Eine Scheuche nur war’s, was dich vertrieb! Die Gestalt Flickten wir emsig zusammen aus alten Kleidern und Rohren; Emsig half ich daran, selbst mir zu schaden bemüht.“ Nun, des Alten Wunsch ist erfüllt; den losesten Vogel Scheucht’ er heute, der ihm Gärtchen und Nichte bestiehlt. (Römische Elegien (16) von Johann Wolfgang von Goethe)
Gelegentlich Othem oder Oden (mhd. urspr. ātem, āten, Wandlung von mhd. ā zu nhd. ō), poetisch für „Atem, Hauch, Selbst“; lebensnotwendiger Vorgang des Ein- und Ausatmens, vor allem aber in allegorischem bzw. bildlichem Zusammenhang verwendet; Bezeichnung für den Lufthauch als „wirkende Kraft“, der geistige Odem im Sinne von „Leben“; „Geist und Seele“ des Menschen, die ihm mit dem Odem „eingehaucht“ sind, so auch „geistige Nahrung für die Seele“; siehe auch „der göttliche Odem“, der in der Schöpfung überall zugegen ist; „der Liebe Odem einzig mich umwehe“ (Wilhelm von Humboldt), „der Odem der Verzweiflung“ als Ausdruck größter Not; auch gleichbedeutend mit „persönliche, besondere Ausstrahlung“ eines Menschen verwendet; das Odemholen, Hauptwort: „das pulsierende Werden und Vergehen der Natur“, mit Bezug auf das Verhältnis von Licht und Farben, stimmungsvolle Momente durch den Wechsel der Tageszeiten. „Das Verhältnis des Lichts zur durchsichtigen Farbe ist, wenn man sich darein vertieft, unendlich reizend, und das Entzünden der Farben und das Verschwimmen ineinander und Wiederentstehen und Verschwinden ist wie das Odemholen in großen Pausen von Ewigkeit zu Ewigkeit vom höchsten Licht bis in die einsame und ewige Stille in den allertiefsten Tönen.“ (Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), „Zur Farbenlehre“, 1808-1810) „Im Sternenkranze, die Himmelskönigin, ich seh's am Glanze. Höchste Herrscherin der Welt! Lasse mich im blauen, ausgespannten Himmelszelt Dein Geheimnis schauen. […] Ein zartes Völkchen, um ihre Kniee den äther schlürfend, Gnade bedürfend. Dir, der Unberührbaren, ist es nicht benommen, Daß die leicht Verführbaren Traulich zu dir kommen. In die Schwachheit hingerafft, sind sie schwer zu retten; Wer zerreißt aus eigner Kraft der Gelüste Ketten? Wie entgleitet schnell der Fuß schiefem, glattem Boden? Wen betört nicht Blick und Gruß, schmeichelhafter Odem?“ (Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), „Faust – Der Tragödie zweiter Teil“, vollendet im Sommer 1831) „Er könnte sich den Odem sparen zum Suppeblasen.“ („Was er sagt, ist überflüssig oder umsonst.“) (Schlesisches Sprichwort) „Wo dich der othem der bäume wie ein hauch gottes anwehte.“ (Karl Leberecht Immermann (1796-1846), Schriftsteller, Lyriker und Dramatiker) „Der liebe othem lau schmelzt seel und leib in flammen.“ (Friedrich Johann Michael Rückert (1788-1866), u.a. Dichter, Sprachgelehrter und Übersetzer)
Lange, schmale Landzunge, die eine Lagune (ein Haff) unvollständig vom Meer abtrennt
Auch Nornen, Nornir, Norna, nord. Myth.; Herleitung aus dem heute gebräuchlichem Wort Schnur, ahd. snuor, snoera (11. Jh.), was so viel wie „zusammenbinden, zusammenhalten, nähen, den Faden spinnen“ bedeutet.
Die Norne wird als „Spinnerin des Schicksalsfadens“ bezeichnet. Grundsätzlich fand die Bezeichnung in der Mythologie für die drei weisen Jungfrauen Verwendung, die niemals altern und von unvergänglicher Schönheit sind. Sie werden auch als Schicksalsgöttinnen bezeichnet und wurden in der germanischen Mythologie sehr verehrt.
In vielen nordischen Mythen kommen die Nornen in Gedichten und Sagen vor, demnach lenken sie die Geschehnisse in der Welt, bestimmen die Lebensdauer der Menschen, die Schicksale der Könige und die Heldentaten.
Ihre Namen sind Urd (Vergangenheit) und Skuld (Zukunft); die Gegenwart hat in den Aufzeichnungen verschiedene Namen, so heißt sie entweder Verdandi, Waranda oder auch Naranda.
Die Schicksalsgöttinnen leben unter dem Weltenbaum, einer Esche namens Yggdrasil, und gießen diese aus den Urdaquellen. Noch heute werden in Ländern wie Island, Norwegen oder auf den Färöer-Inseln die Geburtshelferinnen Nornen genannt.
Nornagest ist eine nordische Sage, nach der die Norne dem Sohn des dänischen Fürsten Throd bestimmte, so lange zu leben, bis die neben ihm brennende Kerze erlöschen würde. Sie soll nach 100 Jahren erloschen sein, und er sei ebenfalls zur gleichen Zeit verstorben.
(Nach einer Erzählung von „Nornagests tháttr“, herausgegeben in Bugges „Norrœne skrifter af sagnhistorisk indhold“ (Christ. 1863 ff.), deutsch übersetzt von A. Edzardi in „Volsunga- und Ragnarssaga“, Stuttg. 1880)
„Aber die Nornen sie spannen und woben
Seine Gedanken zu Wirklichkeit;
Siehe, was glänzte da funkelnd oben
Plötzlich im Schoße der Dunkelheit?
War der Stern der Liebe gekommen?
Schon bei seinem ersten Strahl
Rauschte das dämmernde Meer erglommen,
Brauste das schweigende Felsenthal.
Doch mit Schmerz und erhobenem Zorne,
Aus dem vergessenden Sinnen erwacht,
Sprach der Vater der Dinge zur Norne:
Unglücksel’ge, was hast du vollbracht?!“
(Hermann von Lingg (1820–1905), Dichter, aus: Schlußsteine, Balladen, „Odin und die Nornen“, 1878)
„Mit den Geistern armseliger Christen,
wie könnt’ ich da feiern und fristen?
Wo die Wackeren, Weisen beisammen sind,
ob in Walhall’s Licht – ob im Flammental,
dort will ich weilen mit Vater und Kind,
sei’s die Hölle oder des Odins Saal –,
will seh’n, was die Norne mir spinnt!“
(unbekannt, aus: „Radbod – König der Friesen“, publiziert in „Deutsche Dichter und Denker“)
Entbindung
Elbisches, ehemals weiblich vorgestelltes Wesen, das sich nachts dem Schlafenden auf die Brust setzt