Die verlorenen Worte

Norne

die
Hauptwort
2022
22-10

Auch Nornen, Nornir, Norna, nord. Myth.; Herleitung aus dem heute gebräuchlichem Wort Schnur, ahd. snuor, snoera (11. Jh.), was so viel wie „zusammenbinden, zusammenhalten, nähen, den Faden spinnen“ bedeutet.

Die Norne wird als „Spinnerin des Schicksalsfadens“ bezeichnet. Grundsätzlich fand die Bezeichnung in der Mythologie für die drei weisen Jungfrauen Verwendung, die niemals altern und von unvergänglicher Schönheit sind. Sie werden auch als Schicksalsgöttinnen bezeichnet und wurden in der germanischen Mythologie sehr verehrt.

In vielen nordischen Mythen kommen die Nornen in Gedichten und Sagen vor, demnach lenken sie die Geschehnisse in der Welt, bestimmen die Lebensdauer der Menschen, die Schicksale der Könige und die Heldentaten.

Ihre Namen sind Urd (Vergangenheit) und Skuld (Zukunft); die Gegenwart hat in den Aufzeichnungen verschiedene Namen, so heißt sie entweder Verdandi, Waranda oder auch Naranda.

Die Schicksalsgöttinnen leben unter dem Weltenbaum, einer Esche namens Yggdrasil, und gießen diese aus den Urdaquellen. Noch heute werden in Ländern wie Island, Norwegen oder auf den Färöer-Inseln die Geburtshelferinnen Nornen genannt.

Nornagest ist eine nordische Sage, nach der die Norne dem Sohn des dänischen Fürsten Throd bestimmte, so lange zu leben, bis die neben ihm brennende Kerze erlöschen würde. Sie soll nach 100 Jahren erloschen sein, und er sei ebenfalls zur gleichen Zeit verstorben.

(Nach einer Erzählung von „Nornagests tháttr“, herausgegeben in Bugges „Norrœne skrifter af sagnhistorisk indhold“ (Christ. 1863 ff.), deutsch übersetzt von A. Edzardi in „Volsunga- und Ragnarssaga“, Stuttg. 1880)

Einkehr

„Aber die Nornen sie spannen und woben

Seine Gedanken zu Wirklichkeit;

Siehe, was glänzte da funkelnd oben

Plötzlich im Schoße der Dunkelheit?

War der Stern der Liebe gekommen?

Schon bei seinem ersten Strahl

Rauschte das dämmernde Meer erglommen,

Brauste das schweigende Felsenthal.

Doch mit Schmerz und erhobenem Zorne,

Aus dem vergessenden Sinnen erwacht,

Sprach der Vater der Dinge zur Norne:

Unglücksel’ge, was hast du vollbracht?!“

(Hermann von Lingg (1820–1905), Dichter, aus: Schlußsteine, Balladen, „Odin und die Nornen“, 1878)

 

„Mit den Geistern armseliger Christen,

wie könnt’ ich da feiern und fristen?

Wo die Wackeren, Weisen beisammen sind,

ob in Walhall’s Licht – ob im Flammental,

dort will ich weilen mit Vater und Kind,

sei’s die Hölle oder des Odins Saal –,

will seh’n, was die Norne mir spinnt!“

(unbekannt, aus: „Radbod – König der Friesen“, publiziert in „Deutsche Dichter und Denker“)

Nornensang

Zu finden in: Verlorene Worte