Die gefundenen Worte
Verlorene Worte
Ahd. weban und mhd. weben, bedeutet „Fäden zu einem Gewebe verschlingen, verknüpfen, flechten“ und bezeichnet dabei insbesondere die Handwerkskunst, Fäden kreuzweise ineinander zu verschlingen, um einen größeren Stoff/Teppich/Gewebe daraus zu bilden;
bedeutet außerdem „sich hin und her bewegen, wimmeln, herumwimmeln, sich regen, durcheinanderbewegen“:
„Ich ging aber doch nicht in gerader Richtung auf das mir in dem Briefe bezeichnete Gut des Majors los, sondern ich machte mehrere Kreuz- und Querzüge, um mir das Land zu besehen. So wie mir das Bild desselben früher immer meines Freundes wegen mit Italien zusammen geflossen war, so webte es sich nun immer mehr und immer eigentümlicher als Selbstständiges und Ganzes heraus.“
(Adalbert Stifter (1805–1868), Pädagoge, Maler und Schriftsteller, aus „Brigitta“)
„Faust: O sähst du, voller Mondenschein,
zum letzten Mal auf meine Pein,
Den ich so manche Mitternacht
An diesem Pult herangewacht:
Dann über Büchern und Papier,
Trübsel’ger Freund, erschienst du mir!
Ach! könnt’ ich doch auf Bergeshöhn
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshöhle mit Geistern schweben,
Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,
Von allem Wissensqualm entladen,
In deinem Tau gesund mich baden!“
(Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Dichter und Naturforscher, aus: „Faust I“ – „NACHT“)
„Geist: In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall’ ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff’ ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.“
(Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Dichter und Naturforscher, aus: „Faust I“ – „NACHT“)
„Und Gott sprach: Es errege sich das Wasser mit webenden und lebendigen Thieren, und mit Gevögel,
das auf Erden unter der Veste des Himmels fliege. Und Gott schuf große Wallfische, und allerlei Thier, das da lebet und webet,
und vom Wasser erreget ward, ein jegliches nach seiner Art.
(aus: „Die Bibel“, 1 Mose 1:20,21, nach der deutschen Übersetzung Dr. Martin Luthers, Verlag der britischen und ausländischen Bibelgesellschaft, Berlin, 1859)
In diesem Sinne verabschieden wir uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge, bereit für das, was die Zukunft für uns bereithält.
Die Wortfinderinnen
Während der letzten drei Jahre haben wir mit grenzenloser Leidenschaft an dem Projekt „Die verlorenen Worte“ gearbeitet, das Lisa und William Toel gemeinsam mit uns ins Leben gerufen haben. Mit jedem geschriebenen Wort, jedem Rundbrief haben wir unsere Liebe zur deutschen Sprache zum Ausdruck gebracht. Doch wie das Leben selbst ist auch unser Weg als Wortfinderinnen einem stetigen Wandel unterzogen.
Nun ist der Moment gekommen, Abschied zu nehmen – nicht von der Liebe zu den „verlorenen Worten“, sondern von diesem wundervollen Kapitel, das wir gemeinsam geschrieben haben. Es war eine Reise voller Inspiration, Kreativität und Begegnungen, für die wir von Herzen dankbar sind. Jeder Leser, der sich mit uns auf diesen Weg begeben hat, hat sie mit seinen Gedanken und Gefühlen bereichert und uns beschenkt. Dafür sagen wir „Danke“.
Mit jedem Ende jedoch kommt auch ein neuer Anfang. Sobald eine Tür sich schließt, öffnet sich eine neue – eine Tür zu unbekannten Möglichkeiten. Wir verabschieden uns nicht mit Wehmut, sondern mit Vorfreude auf das, was kommen mag. Denn wir wissen, daß in jedem Abschied auch die Möglichkeit liegt, etwas Neues zu entdecken, etwas, das uns erneut mit Freude und Leidenschaft erfüllen darf. In den Worten von Hermann Hesse „bereit zum Abschied sein und Neubeginne“ möge dieser Zauber uns auf unserem weiteren Weg begleiten und uns die Kraft geben, die Türen zu neuen Möglichkeiten mit offenem Herzen zu betreten.
Wir bedanken uns bei unseren Lesern für ihr Vertrauen und ihre Unterstützung. Es war uns eine Ehre, Teil Eurer literarischen Reise und Wortfindungen zu sein. Und wer weiß, vielleicht kreuzen sich unsere Wege irgendwann wieder, auf einem neuen Pfad, der sich uns zeigt und den wir gemeinsam erkunden können.
Zusammengesetzt aus Wind, der, Hauptwort, von ahd./mhd. wint für „sich bewegende, wehende Luft“ oder „Luftströmung“; „das Wehende“ zurückgehend auf die Wurzel wehen für „blasen, hauchen“ und einigen Belegen nach aus Braut, die, Hauptwort, von mhd. brūt, „die (junge) Frau am Hochzeitstag“, um hier die weibliche Verkörperung des Windes durch die Windsbraut in Sagen und mythologischen Werken zu begründen (siehe u. a. Jacob Grimm, der „die Windsgemahlin“ als Begriff aufführt) – wobei dieser Zusammenhang mit Braut nicht eindeutig geklärt ist, da auch der etymologische Ursprung brausen, Tätigkeitswort, für „aufwallen, schäumen, rauschen, in heftiger Bewegung sein“, mdh. brūsen, einleuchtet und in der Herleitung vorzufinden ist (siehe auch aufbrausen, Tätigkeitswort, „zornig hochfahren“ und ebenso das Tätigkeitswort „sich zusammenbrauen“).
Das Wort Wind ist in einigen Redensarten gebräuchlich: „in den Wind reden“ für „vergeblich etwas sagen“, „in den Wind schlagen“ für „etwas in geringschätziger Weise ablehnen“ oder heute „ohne Beachtung lassen“; siehe auch windig, Eigenschaftswort, mhd. windec, für „voller Bewegung in der Luft“, in übertragenem Sinne „eitel, unberechenbar, unzuverlässig, unredlich“.
Die Windsbraut, ahd. wintes prūt (9. Jh.), mhd. windesbrūt, auch in alten Werken als die Wintesbrutt aufgeführt, in der Bedeutung von „heftiger Wind, Wirbelwind, Sturm“ oder bildlich für „aufwallen, brausen, in starker Bewegung sein“; die Windsbraut in alten Überlieferungen und Sagen als weibliche Verkörperung des Windes und der brausenden Luft, die durch das Aufbringen von widriger Witterung Veränderung mit sich bringen kann oder die Menschen aus ihrem gewöhnlichen Alltag aufblicken lässt („wie eine Windsbraut durchs Land fahren“); sie selbst ist auch eine Verkörperung der „Plaudernden mit aufbrausendem Gemüt“ und gleichzeitig der „Gejagten, Umherziehenden“, sie befindet sich selbst in einer Art Kampf mit den Naturgewalten und gleichzeitig im Einklang mit ihnen (Zwiespalt).
Die Windsbraut als „sagenhaftes, koboldartiges Wesen“, auch „ein geisterhaftes Weib“ in der germanischen Mythologie, ursprünglich der „aufgehende Wind“, der dem größeren Sturm vorausgeht. Das Wort Windsbraut findet sich in Überlieferungen auch als Bezeichnung für einen „zweifelhaften Burschen“.
Wir bedanken uns bei einem freundlichen Rundbriefleser, der uns den Hinweis zu diesem verlorenen Wort gab.
Von ahd. wāen und mhd. wæjen, für „blasen, hauchen, flattern“, als Ausdruck für die Bewegung der Luft („der Wind weht mild“), aber auch für bewegt werden (durch den Wind) und sich (im Wind) bewegen, also z. B. „die Papierstücke wehten durchs Zimmer“, „die Vorhänge wehen an den Fenstern“, „die Fahnen wehen im Wind“:
„das Wehen der Luft zur Morgenzeit, der Wind am Morgen“
„Und wie beim Morgenwehen
Die dunkle Nacht verfliegt,
So soll dem Gram geschehen,
Der jetzt mich hat besiegt:
Ein lindes Maienfächeln
Weht in mein Herz hinein,
Es soll dein liebes Lächeln
Mir Morgensonne sein!“
(Robert Eduard Prutz (1816–1872), deutscher Publizist und Lyriker, 3. Strophe des Gedichts „Neues Gelübde“)
„Gott ist die Liebe!
So hallt’s beim Morgenwehen
ins grüne Tal hinein,
und wenn die Blumen stehen
im letzten Abendschein.
Gott ist die Liebe!“
(Anton Hungari (1809–1881), Priester und Dichter, 2. Strophe des Liedes „Gott ist die Liebe“)
und Starkmütigkeit, die, Hauptwort, bedeutet „Tapferkeit, Mut, Standhaftigkeit“; starkmütig, Eigenschaftswort, steht für „beherzt, tapfer, mutig, standhaft“;
Starkmut und starkmütig tauchen insbesondere im religiösen, christlichen und moralischen Kontext auf, als der Gegensatz zu „Kleinmut“ und „kleinmütig“; Starkmut ist die Kraft und die Tapferkeit, die man benötigt für den Einsatz für das Gute, für die Unterstützung derer, die Hilfe brauchen; Starkmut ist auch die Tapferkeit, die benötigt wird, um nicht ins Wanken zu geraten, wenn einem der Gegenwind der Mächtigen und Gierigen um die Ohren pfeift.
Bei der Beschäftigung mit Luther und seinem christlichen Glauben kommt einem das Wort Starkmut alsbald in den Sinn. Luther war schwierig, eben weil er Starkmut besaß, eine Stärke und Tapferkeit, die ihm gegeben wurde durch den Glauben und die Hinwendung zu Gott. Er setzte sich für andere ein und nahm dabei unbequeme und unrühmliche Wege auf sich. Für viele Ohren jedoch klingt es befremdlich, dieses starkmütig, das eine Opferbereitschaft beinhaltet, eine Hingebung an andere, Bedürftigere, Notleidende, und auch an Gott. Es wäre einfacher, wenn sich das Gute und Gerechte auch bequem umsetzen ließe.
„Ja, als die Gattin des Kosmographen Dr. Sebald Münster an der Seuche starb und dieser selbst an sieben Beulen litt, nahm Luther zum Entsetzen der Wittenberger die vier Kinder Sebalds aus dem verpesteten Hause zu sich. Guter Gott! was entstand in der ganzen Stadt für ein Geschrei gegen Luther! […] Diejenige, welche am wenigsten wider diese starkmütige Tapferkeit Luthers einzuwenden hatte, war seine Gattin; und sie hatte doch die größte Mühe und Sorge mit den übernommenen Kindern und war dazu wie vor zehn Jahren ihrer Entbindung nahe.“
(aus „Katharina von Bora – Geschichtliches Lebensbild“ von D. Albrecht Thoma, Druck und Verlag Georg Reimer 1900)
Malcolm:
,Die hab ich nicht – die königstugenden,
wahrheit, gerechtigkeit, starkmuth, geduld,
ausdauer, milde, andacht, gnade, kraft,
mäszigkeit, demuth, tapferkeit.‘“
(William Shakespeare (1564–1616), aus: „Macbeth“, 4. Aufzug, 3. Szene; Übersetzung: Dorothea Tieck)
Für „Lied“ bzw. speziell für die religiösen Lieder des jüdischen Volkes, die im Buch der Psalmen, dem Psalter, gesammelt sind. Es sind dort 150 Psalmen gesammelt. Auch im Alten Testament ist der Psalter mitaufgenommen. Der Begriff Psalm leitet sich vom kirchenlateinischen psalmus her, das seinerseits aus dem griechischen psalmós für „das Zupfen der Saiten eines Musikinstrumentes, das Saitenspiel, ein zum Saitenspiel vorgetragenes Lied“ steht.
„Strophe aus Psalm 147“
„Preise Jerusalem den HERRN / Lobe Zion deinen Gott.
Denn er macht feste die Rigel deiner Thor / Und segenet deine Kinder drinnen.
Er schaffet deinen Grentzen Fride /Und settiget dich mit dem besten Weitzen.
Er sendet seine Rede auff Erden / Sein Wort leufft schnell.
Er gibt Schnee wie Wolle / Er strewet Reiffen wie Asschen.
Er wirfft seine Schlossen wie Bissen / Wer kan bleiben fur seinem Frost?
Er spricht / so zeschmeltzet es / Er lesst seinen Wind wehen / so thawets auff.
Er zeiget Jacob sein Wort / Israel seine Sitten und Rechte.
So thut er keinen Heiden / Noch lesst sie wissen seine Rechte.
Haleluia.“
(Psalm 147, 3. Strophe, aus: „Biblia/ das ist: Die gantze heilige Schrifft Deudsch“, D. Mart. Luth., Wittemberg 1565; Digitale Sammlungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek)
„Preise, Jerusalem, den HERRN. Lobe, Zion, deinen Gott.
Denn er schützt die Riegel deiner Tore und segnet deine Kinder in deiner Mitte.
Er schafft deinen Grenzen Frieden und sättigt dich mit dem besten Weizen.
Er sendet sein Gebot zur Erde, sein Wort geschieht.
Er gibt Schnee wie Wollflocken, er streut Reif wie Asche aus.
Er wirft Hagelkörner herab wie Eisbrocken; Wer kann bestehen vor seinem Frost?
Er spricht, so schmilzt das Eis. Er läßt seinen Wind wehen, so taut es auf.
Er verkündet Jakob sein Wort, Israel gab er seine Gebote und sein Recht.
So hat er an keinem Volk getan, daher kennen sie seine Gebote nicht.
Halleluja.“
(Psalm 147, 3. Strophe, heutige Übersetzung)
„Übermut, Leichtsinn, Mutwille, böse Tat“ und stand im alten Rechtssystem für eine „vorsätzlich begangene Straftat“;
freveln, Tätigkeitswort, bedeutet „Freveltaten begehen“;
Als Bezeichnung für das Buch der Psalmen ist ebenfalls abgeleitet aus Kirchenlatein, psalterium, was wiederum zurückgeht auf das griechische psaltérion als Bezeichnung für das Buch der Psalmen in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments. Sowohl psalmós als auch psaltérion sind eine Bildung im Griechischen aus psállein „berühren, betasten, die Saite zupfen, Zither spielen“.
(vgl. „DUDEN, Das Herkunftswörterbuch, Etymologie der deutschen Sprache“, 3. Auflage sowie „Wiktionary“ im Internet, unter „Psalter“ und „Psalm“)
Leitet sich von griechisch ta biblía ab für „die Bücher“, und steht für „Heilige Schriften“ bzw. „Heilige Schrift“. Der Begriff umfaßt sowohl die religiöse Textsammlung des Judentums als auch die religiöse Textsammlung des Christentums. Welche Texte zur Heiligen Schrift zählen, unterscheidet sich bei beiden Religionen, wobei jedoch im sogenannten Alten Testament des Christentums die Bücher des Tenach, also die Heiligen Schriften des Judentums, mitaufgenommen wurden. Im Christentum kommen zum Kanon der Bibel noch die Texte des Neuen Testaments hinzu.
Der für Bücher verwendete Papyrusbast stammte im alten Griechenland vornehmlich aus der phönizischen Hafenstadt Byblos. So entstand im Griechischen die Bezeichnung býblos für dieses Rohmaterial, davon dann abgeleitet byblíon / biblíon, für „Papierrolle, Buch“. Die davon gebildete Mehrzahlform biblía (siehe oben) fand Eingang in unser Kirchenlatein und bezeichnete dort dann die Bücher der „Heiligen Schrift“. Dabei wurde das kirchenlateinische biblía als Femininum Singular aufgefaßt und ist so ins Deutsche als die Bibel eingegangen, belegt im Deutschen seit dem 13. Jahrhundert.
(vgl. „DUDEN, Das Herkunftswörterbuch, Etymologie der deutschen Sprache“, 3. Auflage, sowie „Wiktionary“ im Internet, unter „Bibel“)
Bezeichnung für einen Lautenspieler.
War früher eines der verbreitetsten Musikinstrumente und im 15. bis zum 17. Jahrhundert ähnlich beliebt wie später das Klavier. Die Laute ist ein gezupftes Saiteninstrument mit bauchigem (halbbirnenförmigen) Korpus und einem kurzen, breiten Hals, um den die Saiten geschlungen werden, und einem abgeknickten Wirbelkasten am Halsende. Die bis zu 11 Saiten sind bis auf eine Melodiesaite chörig gestimmt (Saitenpaare). Saitenzahl und Stimmung schwankte im Laufe der Jahrhunderte immer wieder. Die Saiten werden mit Plektrum gespielt oder auch mit den Fingern gezupft.
Lautenähnliche Instrumente waren bereits im 2. Jahrtausend vor Christus in Mesopotamien in Gebrauch. Das Abendland übernahm die Laute aus dem persisch-arabischen Raum vermutlich über Süditalien und Spanien. Der Name des Instruments geht auf das arabische Wort al-ud (das Holz) zurück, aus dem das Wort Laute entstand. (vgl. „dtv Brockhaus Lexikon“ Band 10, Deutscher Taschenbuch Verlag 1988)
Eine alte Redewendung ist „ein gerüttelt Maß (an/von etwas)“ und bedeutet „viel, eine ansehnliche Menge“ und rührt daher, daß beim Messen von Getreide nach Rauminhalt das Behältnis, z. B. der Scheffel („altes Hohlmaß/Gefäß für Schüttgut, insbesondere für Getreide“), immer wieder gerüttelt wurde, so daß dann noch ein paar mehr Getreidekörner Platz hatten, und das Behältnis zum Schluß wirklich gefüllt war.
„unterjochen, Gewaltherrschaft ausüben, quälen“.