Die verlorenen Worte
Minne
Ahd., auch Minna, nhd., „Liebe, Zuneigung, Verlangen, Kuß, Gnade, gütliche Handllung, Freundschaft“; aber auch „Liebesgöttin“, „Venus“; Minner, „Liebhaber, verliebter Herr“; Minnerin, „Liebhaberin“;
weitere Formen und Bedeutungen als Tätigkeitsworte: minnen, „lieben, küßen, heiraten“; minnalih, „lieb“; minnon, „verehren, schätzen“; minnontlih, „lieblich, liebend“; giminni, „geliebt, lieb“; minnebar, „liebenswürdig“; minnehaft, „liebesvoll, liebreich“; minnenwunt, „von Liebe Wund“; minnenzäm, „verliebt“; minnesam, „liebreich, liebenswürdig“.
Das Wort Minne steht als ein vielfältig genutzter Oberbegriff des uns heute gebräuchlichen Wortes „Liebe“. Die verschiedensten Formen der Liebe und alles, was damit in Zusammenhang steht, finden in Minne ihren Ausdruck. Die ursprüngliche Bedeutung könnte auf das einfache Wort Min, die Lippe, zurückzuführen sein. Es war üblich, Freundschaften und Liebesschwüre mit einem Kuß zu besiegeln. Deshalb ist es sinnvoll, für „Versöhnung“, „Frieden stiften“, „Freundschaft schließen“ oder „sich (die) Liebe zu gestehen“, ein gleiches Wort zu nutzen. Vielleicht ist aus dem Wort „Lippe“, mit dem der versiegelnde Kuß geschieht, das Wort „Liebe“ entstanden?
In vielfältigsten Wortverbindungen mit dem Wort Minne konnte man wunderbare, tiefe Gefühle bis hin zum Liebeskummer ausdrücken. Dafür einige Beispiele:
Minneger, „Liebespfeil“; Minnegenosß, „Günstling, Liebling“; Minnontlihhi, „Lieblichkeit“; Minnegöttin, Minnegott, „Liebesgöttin, Liebesgott“; Minnekind, „ein außer der Ehe gezeugtes Liebeskind oder Pflegekind“; Minnelied, „Liebeslied“; Minnemutter, „Pflegemutter“; Minnesame, „Lieblichkeit, liebreizendes Wesen“; Minnesang, „Liebesgesang“; Minnesteren, „Liebesstern“; Minnezoren, „Liebeszorn, Liebeseifer“.
Den meisten ist wohl das ahd. Wort Minne aus dem Mittelalter durch den Minnegesang oder Minnesang bekannt. Mit eindrucksvollen Texten und Liedern entdeckten Dichter im hohen Mittelalter die Liebe für sich. Zwei der bekanntesten Minnesänger sind Walther von der Vogelweide (um 1170 bis um 1230) und Heinrich von Morungen (Ende 12. Jhd. bis um 1222).