Die verlorenen Worte
wallen
Rundbrief Jahr: 2021
Rundbrief KW: 36
Rundbrief Details:
wallen, Tunwort, hat zwei Bedeutungen, die anscheinend etymologisch nicht miteinander verwandt sind. Das erste wallen bedeutet sprudeln, bewegt fließen, im Winde flattern: von wallan (ahd.), aufwallen, sieden, kochen, aufbrausen, hervorsprudeln.
„Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.“
(Johann Wolfgang von Goethe, Ballade „Der Zauberlehrling“, 1797)
Das zweite wallen bedeutet von Ort zu Ort ziehen, auf der Walz sein, wandeln, daher leitet sich auch das heute noch gut bekannte wallfahren ab. Die Grundbedeutung von Ort zu Ort ziehen überwiegt in der älteren Sprache: wallōn (ahd.), wandern, reisen, wandeln, ziehen, pilgern, gehen, umhergehen, umherziehen, fortschreiten, sich ausbreiten.
„Wallfahrer ziehen durch das Tal
mit fliegenden Standarten.
Hell grüßt ihr doppelter Choral
den weiten Gottesgarten.
Wie gerne wär’ ich mitgewallt,
ihr Pfarr’ wollt mich nicht haben!
So muß ich seitwärts durch den Wald
als räudig Schäflein traben,
valeri, valera, valeri, valera,
als räudig Schäflein traben.
(3. Strophe des Frankenlieds, Text: Joseph Victor von Scheffel, 1859)
Zu finden in: Verlorene Worte