Die verlorenen Worte
deutsch
Ahd., thiutisk, mhd., diutisch, diutsch, tiutsch, tiusch, md., dūdesch, dūtsch, dūsch, nhd., teutsch, asächs., thiudisc, mnd., „Volk, Stamm“ laut „Das Herkunftswörterbuch“; im DWDS findet man dazu lediglich folgende Erklärung: „Deutschland und seine Bevölkerung betreffend“ und „in der Sprache Deutschlands“.
Eine weitere Erklärung in Seebolds „Der Wortschatz des 8. Jahrhunderts (und früherer Quellen)“ findet man unter Diot(a), die, Hauptwort, ahd., die Bedeutung „Volk, Menschen, Heiden“ sowie den Begriff „diet“, Eigenschschaftswort, nhd., „deutsch“.
Im Buch „Ausführliche Arbeit von der teutschen Haubtsprache“ von Justus Georg Schottelius aus dem Jahre 1663 (in einem Neudruck des Buches vom Niemeyer-Verlag Tübingen aus dem Jahre 1967) liest man:
„Was für ein Nahm aber ist es gewesen, wodurch die zerstreuten Menschen den wahren Gott haben andeuten wollen? Dieser nemlich, von welchem wir Teutschen den Namen haben: Nemlich nach Celtischer Ausrede / Teut. Die alten Egypter wie Plato in Phaedro und Cic. 1.3 de nat.deorum und Lacantius 1.1.c.6 bezeugen / haben diesen ihren Gott auch Teut geheissen. Duretus C.56 allegans Platonem 8 Caelum spricht hiervon auch: Entre les Egyptiens estoit adore un dieu appelle Teuth qui le premier inventra arts &c. Er zeugt auch folgendes aus dem Griechischen Schribenten Philone an / welcher um die Zeit der Semiramis die Tathen der Phaenicier beschrieben / nach des Eusebii Zeugniß / und dieses Nahmens unter anderem auch also gedacht: Les Egyptiens appeloient ve Theus Thyoth; Alexandrins Thot.
Die alten Griechen haben diesen höchsten Gott alleszeit deis, eis, deo, nach Veränderung der Mundart genennet: Die Lateiner gleichfalls / ob sie schon viele Götter und Götzen hatten / denen sie mancherley Namen gegeben / haben sie doch den höchsten Gott Deut, nach iher Ausrede hernachmals Deus, genennet…
Unsere uhralte Vorfahren haben gleichfalls diesen Namen / wodurch die Völker überall ihren Gott andeuten wollen, aufs genaueste behalten / sogar / daß sie sich nach dem Nahmen ihres Gottes Teut / Teutsch genennet haben…nemlich der Name des wahren Gottes selbst / daß also Teutsch / so viel heisset / als Göttisch oder Göttlich.
Weiter unten geht es weiter:
„Das ist: daß die Teutschen in ihren alten Gesängen den Gott Tuit oder Teut / und dessen Sohn Mann noch rühmten. Denn durch Teut / haben die Barden oder alte Teutsche Poeten den Schöpfer aller Menschen / und durch Mann / den ersten Sohn des Schöpfers den Adam verstanden / und darum einem jeden / von dem Manne / Männisch oder Mensch genant / eben wie man von Rom ableitet Romich / Pol Polnisch oder Polsch / also Mann Männisch oder Mensch / der von dem ersten Manne herkommt; Sind also nemlich Teut und Mann die rechten Wurtzelen der Wörter Teutsch und Mensch.“
Die Bedeutungen für das Wort deutsch gehen also von „erklären, deuten“ über „völkisch“ bis hin zu „göttlich“. Es ist jedem selbst überlassen, sich weiter damit zu beschäftigen. Wir können hier nur abschließend feststellen, daß sich die Bedeutung des Wortes nicht lediglich auf die Bezeichnung einer Sprache bezieht, sondern eine tiefere Bedeutung zu haben scheint. Der letzte Satz des nachfolgenden Gedichts „Deutschlands Beruf“ bekommt dadurch eine noch größere Sinnhaftigkeit:
„Soll’s denn ewig von Gewittern
Am umwölkten Himmel braun?
Soll denn stets der Boden zittern,
Drauf wir unsre Hütten baun?
Oder wollt ihr mit den Waffen
Endlich Rast und Frieden schaffen?
Daß die Welt nicht mehr, in Sorgen
Um ihr leichterschüttert Glück,
Täglich bebe vor dem Morgen,
Gebt ihr ihren Kern zurück!
Macht Europas Herz gesunden,
Und das Heil ist euch gefunden.
Einen Hort geht aufzurichten,
Einen Hort im deutschen Land!
Sucht zum Lenken und zum Schlichten
Eine schwerterprobte Hand,
Die den güldnen Apfel halte
Und des Reichs in Treuen walte.
Sein gefürstet Banner trage
Jeder Stamm, wie er’s erkor,
Aber über alle rage
Stolzentfaltet eins empor,
Hoch, im Schmuck der Eichenreiser,
Wall’ es vor dem deutschen Kaiser.
Wenn die heil’ge Krone wieder
Eine hohe Scheitel schmückt,
Aus dem Haupt durch alle Glieder
Stark ein ein’ger Wille zückt,
Wird im Völkerrat vor allen
Deutscher Spruch aufs neu’ erschallen.
Dann nicht mehr zum Weltgesetze
Wird die Laun’ am Seinestrom,
Dann vergeblich seine Netze
Wirft der Fischer aus in Rom,
Länger nicht mit seinen Horden
Schreckt uns der Koloß im Norden.
Macht und Freiheit, Recht und Sitte,
Klarer Geist und scharfer Hieb,
Zügeln dann aus starker Mitte
Jeder Selbstsucht wilden Trieb,
Und es mag am deutschen Wesen
Einmal noch die Welt genesen.“
(Emanuel Geibel (1815–1884), deutscher Lyriker und Dramatiker, Gedicht: „Deutschlands Beruf“,
veröffentlicht 1861 in „Heroldsrufe. Aeltere und neuere Zeitgedichte“)